Oliver Merz ist neuer Leiter SRS Pro Sportler

Gerne berichten wir euch Neues in eigener Sache. Seit August ist Dr. Oliver Merz neuer Leiter von SRS Pro ­Sportler Schweiz.

Als Vorstand sind wir zur Überzeugung gelangt, dass ein geistlicher Leiter nötig ist, um das bereits fast 40 Jahre bestehende Werk weiter zu entwickeln. Wir schätzen bereits jetzt seine Weitsicht, Offenheit, sein breites Netzwerk und sein Einfühlungsvermögen.

Wir haben Oli 10 Fragen gestellt, er stellt sich gleich selbst vor (Vor-Publikation aus unserem Oktober-News):


Oli, willkommen bei SRS Pro Sportler, erzähle uns etwas über dich!

Ich bin promovierter Theologe und seit über 20 Jahren in diversen kirchlichen Umfeldern pastoral tätig. Bereits über 12 Jahre engagiere ich mich ebenfalls als Forscher, Referent, Dozent und Berater an den Schnittstellen von Kirche und Gesellschaft. Ich wohne mit meiner Familie in Thun. In meiner Freizeit bin ich gerne kreativ, male, musiziere und dichte neuerdings auch. Bald erscheint mein zweiter Gedichtband.


Sport und Leben, wie stehen die Themen bei dir in Verbindung?

Seit ich mich erinnern kann, war ich sportlich aktiv. Bereits als Teenager begann ich Volleyball zu spielen, trainierte bald mehr als mir aufgetragen war. Rasch wurde ich in den örtlichen Verein aufgenommen und spielte regelmässig in der Meisterschaft. Mit 19 Jahren hatte ich plötzlich mit Lähmungserscheinungen an den Armen und Beinen zu kämpfen. Kurz darauf erhielt ich die Diagnose Multiple Sklerose. Meine sportlichen Ambitionen musste ich begraben. Seither ist sportliche Betätigung in meinem Leben aber existenziell. Nordic Walking und im Winter Skating auf der Loipe, gezieltes Kraft- und Koordinationstraining sowie regelmässige Physiotherapie uvm. sind nicht mehr aus meinem Alltag wegzudenken. Ich wandere auch sehr gerne. Als Thuner bin ich nicht zuletzt ein grosser Fan des FC Thun und verfolge das Sportgeschehen ganz allgemein. Als Spezialist für Fragen rund um Krankheit, Gesundheit, Religion, Spiritualität, Benachteiligung, Diversity, Inklusion und Teilhabe bestehen schon lange Berührungspunkte zum Breiten- und Spitzensport.


Wie kamst du mit SRS Pro Sportler in Kontakt?

Als wir 2003 mit einem kirchlichen Projekt in Thun starteten, kam Schabi Berger auf mich zu. Aus diesem Kontakt ergaben sich gemeinsame Veranstaltungen und Projekte mit SRS. Mir fielen sofort viele Gemeinsamkeiten in den theologischen Überzeugungen, aber auch zu Anfragen an die gängige kirchliche Praxis auf. Kurz: SRS Pro Sportler und unsere christliche Gemeinschaft «tickten» sehr ähnlich. Der Rest ist Geschichte, die Verbundenheit ist geblieben.


Was bewegt dich am Auftrag von SRS Pro Sportler und welches Potential siehst du darin?

SRS Pro Sportler will zur ganzheitlichen Förderung von Menschen im Sport mobilisieren und motivieren! Da bin ich voll dabei. Ich bin von der ganzheitlichen und nachhaltigen Wirkung des Glaubens und der persönlichen Spiritualität fest überzeugt.
Dass wir «Pro», also für Menschen im Sport da sein wollen, und zwar in der Breite wie auch an der Spitze, bewegt und motiviert mich sehr. Als Athletin und Athlet kann man sich einsam fühlen und ist auf sich allein gestellt, vielleicht trotz der Unterstützung von Trainern, Verbänden und dem persönlichen Umfeld. Als Pfarrer möchte ich nicht nur bei Siegen mitfeiern und mich mitfreuen, sondern für Sportlerinnen und Sportler auch seelsorgerlich da sein, wenn es nicht läuft wie gewünscht. Ich möchte den Schmerz und Frust einer deftigen Niederlage gemeinsam aushalten und durch Krisen begleiten. Leben teilen, eben!
Als SRS Pro Sportler wollen wir ausbilden, beraten und betreuen. Und zwar breit, von Einzelsportlerin bis zum Funktionär und Verband. Das ist ein hohes Ziel. Aber wir verfügen auch über viel Know-how dazu. Ich bin überzeugt, dass SRS das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft hat. Ich träume davon, dass wir mindestens zu einem nationalen Kompetenzzentrum für Spiritualität, für Glaube und Sport werden. Mit den geplanten Veränderungen entwickelt sich SRS Pro Sportler in die richtige Richtung weiter. Die grösste Herausforderung sehe ich darin, mit den beschränkten finanziellen und personellen Ressourcen die angestrebten Veränderungen verkraftbar umzusetzen, um dieses Ziel zu erreichen. Da werden wir unbestritten viel Gnade Gottes brauchen – und da und dort ein Wunder.


Wo liegt die grösste Herausforderung von Leistungssportlern?

Soviel ich heute verstehe und von den Leistungssportlerinnen und Leistungssportlern in meinem Bekanntenkreis erfahre, sind die Herausforderungen sehr vielfältig und vielschichtig. Es reicht zum Beispiel nicht, nur physisch auf den Wettkampf hin bereit zu sein. Die Olympischen Spiele in Tokio haben eindrücklich gezeigt, was Sportlerinnen und Sportlern auch in psychischer, mentaler Hinsicht heute abverlangt wird. Im Fall der US-Amerikanischen Turnerin Simone Biles war dieser Aspekt anscheinend «matchentscheidend». Der (Erfolgs-)Druck und die Erwartungshaltung (eigene und fremde) werden nicht kleiner. Das kann überfordern. Der ganzheitlichen Betreuung und Begleitung kommt immer mehr Bedeutung zu. Glaube, persönliche Spiritualität können wissenschaftlich bestätigt eine Ressource sein, um die Herausforderungen im Alltag einer Athletin oder eines Athleten zu bewältigen. Da sehe ich natürlich für SRS Pro Sportler ein wachsendes Potenzial, keine Frage.


Welche Geschichte an den Olympischen Spielen in Tokio hat dich berührt und warum?

Natürlich zuerst, dass die Schweizer Delegation 13 Medaillen und diverse Olympische Diplome gewann. Zehn der 13 Medaillen brachten Frauen mit nach Hause. Das ist bemerkenswert, vor allem, wenn man bedenkt, dass diese in den Anfängen gar nicht an den Spielen teilnehmen durften. Insgesamt war ich berührt von der Solidarität und vom Fairplay unter den Sportlerinnen und Sportlern. Wenn zwei Hochspringer sich die Goldmedaille teilen und auf ein «Stechen» verzichten, dann bewegt mich das zutiefst. Das ist ein Zeichen von Charakter und Grösse. Solche Geschichten vergewissern uns, dass Sport Menschen und ganze Nationen in einer fast nicht zu überbietenden Art und Weise verbinden und sogar friedensfördernd wirken kann. Aber auch die punktuellen Herausforderungen mit Rassismus und Doping sind mir nicht entgangen und machten mich sehr nachdenklich. Oder die bereits angesprochene Diskussion über den immensen Druck und die gefährdete psychische Gesundheit der Athletinnen und Athleten beschäftigten mich.


Wie kann SRS Pro Sportler konkret eine Athletin/einen Athleten unterstützen?

Ja, diese Frage habe ich mir auch gestellt. Wir tun ja nicht Nichts, im Gegenteil! Mir scheint besonders zentral zu sein, dass wir unsere Angebote stark an den tatsächlichen Bedürfnissen der Sportlerinnen und Sportler ausrichten und laufend abgleichen. Ich muss mir in meinen Einarbeitungszeit zuerst ein vertieftes Bild machen. Sofern es das noch nicht gibt, wäre es unter Umständen sinnvoll, die Athletinnen und Athleten selbst und auf verschiedenen Leistungsstufen in regelmässigen Abständen und standardisiert nach ihrem Bedarf zu befragen. Das könnte helfen, unsere Dienstleistungen und Angebote stark am effektiven Bedarf auszurichten. Wie andere, die einzelne Sportlerinnen und Sportler oder Teams vielfältig unterstützen, müssen auch wir uns spätestens nach diesen Olympischen Spielen fragen, wie wir das noch besser tun können. Dass wir uns künftig dem Thema psychische Gesundheit im Spitzensport und den diesbezüglichen Hilfestellungen durch den christlichen Glauben stärker annehmen sollten, scheint mir offensichtlich.


Aus deiner Sicht: Worin liegt die grösste Chance von SRS als Organisation mit christlichen Werten?

Dass die Schweiz ein stark säkularisiertes Land ist, bedeutet noch lange nicht, der Mensch interessiere sich nicht mehr für Sinnfragen und Fundamente, die durch Hochs und Tiefs im Leben tragen. Forschung und Beobachtung bestätigen eher das Gegenteil: der Mensch sucht sehr wohl und weiterhin Orientierung und ist offen für Impulse, die einleuchten und sich in Lebensgeschichten von anderen bewährt haben. Wenn Sportlerinnen und Sportler authentisch davon erzählen, wie ihnen der Glaube an Gott in den Herausforderungen ihres Athletenalltags, bei Wettkämpfen und auch bei Niederlagen sowie in sportlichen und persönlichen Krisen hilft, kann dies das Interesse von Kolleginnen und Kollegen oder sogar von Konkurrentinnen und Konkurrenten für Hilfestellungen aus dem christlichen Glauben wecken. So gesehen werden die Chancen für SRS Pro Sportler als christliche Organisation nicht kleiner. Man muss sich aber vermutlich da und dort oder sogar laufend neue Zugänge suchen oder verschaffen – und den Mut zur Selbstreflexion haben. Undifferenzierte theologische und andere fachliche (Schein-)Antworten auf komplexe Probleme des Sportalltags und unreflektierte, enggeführte und einseitige Lösungsvorschläge für Lebensprobleme werden nicht (mehr) reichen. Das scheint mir auch gut so. Die Sportwelt scheint mir aber sehr wohl offen für fundierte Beiträge und Impulse aus christlicher Perspektive, die Sportlerinnen und Sportlern nachhaltigen Nutzen bringen.


Wo finden Menschen bei SRS Platz, die sich für die Sportwelt interessieren, denen Beziehungen in diesem Umfeld wichtig sind, die gerne Athleten dienen wollen, die aber selbst keine Leistungssportler sind?

Spontan würde ich sagen: Solche Menschen sind bei uns genau richtig! Zahlenmässig sind Spitzen- bzw. Leistungssportlerinnen und -sportler eher rar. Wir orientieren uns zwar an ihnen und eifern ihnen nach. Ihre Sogwirkung ist mitunter enorm. Die Erfolge von Einzelnen oder Teams basieren auf zum Teil Jahrzehnte langer Arbeit – vom Breitensport über die Nachwuchsförderung bis zur allfälligen Goldmedaille. Da braucht es unzählige Puzzleteile und nicht zuletzt viele Menschen, die ihren Unterstützungsbeitrag leisten und sich für den Erfolg anderer «dienend verschenken». Geht es dann am Wettkampf auf, freuen sich ein paar Hundert oder Tausend Personen umso mehr mit. Ich und die meisten bei SRS gehören genau zu denen, die sich im Hintergrund investieren und dann leidenschaftlich und dankbar in den grossen Jubel einstimmen. Wir sind aber auch tröstend und beratend da, wenn es mit dem Sieg und der Medaille (noch) nicht geklappt hat.


Nächstes Jahr feiern wir 40 Jahre SRS Pro Sportler. Was wünschst du dir für die Organisation und ihre Mitglieder?

Ich wünsche mir für SRS Pro Sportler vor allem zweifachen Mut. Einerseits, um am Bewährten festzuhalten und dem Auftrag treu verpflichtet zu bleiben. Andererseits aber auch die Entschlossenheit, nötige Veränderungen und Weiterentwicklungen anzupacken – alles mit Gottes Hilfe und im Vertrauen auf seine Führung und Versorgung. Was sich nach einer eingängigen kritischen Beurteilung nicht mehr zu bewähren scheint, darf man getrost aufgeben. Nahe bei Gott und gleichzeitig mitten in der (Sport-)Welt, in dieser Spannung gilt es für uns als Organisation, Mitarbeitende und Mitglieder weiterhin gemeinsam zu bleiben – zur Ehre Gottes und zum Nutzen aller Sportlerinnen und Sportler auf allen Leistungsstufen.


Lieber Oli, Merci vielmal für deine Antworten. Wir wünschen dir einen gelungenen und gesegneten Start in deine Aufgabe und freuen uns auf die wertvolle Zusammenarbeit.

Vorstand SRS: Brigitte Zink, Michael ­Wiedmer, Cornelia Schmid