Andrin Frey: «Dass ich Spitzensport betreiben kann, erachte ich nicht als selbstverständlich»

Thun ist Sportregion. Nicht nur im Grossen (Ironman, Schwingfest, Inferno-Triathlon, FC Thun, Wacker Thun, Unihockey), sondern auch in klassischen aber eher kleineren Sportarten. Zum Beispiel im Kunstturnen, wo der Steffisburger Andrin Frey ein Ziel hat: Olympia-Metall!

Andrin Frey war vor dem Ironman-Wochenende im FONTIS-Buchladen Thun Gast an einem Podiumsgespräch. Am Stehtisch zwischen vielen Büchern sassen:

  • Andrin Frey (21), wohnt in Steffisburg – von Montag bis Freitag aber in Magglingen, «mein Beruf: Kunstturner.»
  • Andrins Mutter Nicole Frey, ehemalige Lehrerin, heute in Weiterbildung zur Pflegefachfrau
  • Moderation: Jonas Brunner, Mitarbeiter und Sportmentor SRS Pro Sportler, Schiedsrichter Unihockey

Ein paar Aussagen des Abends:

Andrin: «Ich brauchte schon immer Bewegung. Mit 5 Jahren begann ich im Turnverein Steffisburg. Es war mehr als Spielen. Im Geräteraum wars am lustigsten. Es ging dann immer weiter, man sah in mir Talent, ich kam ins Regionale Leistungszentrum nach Bern, war aber weiterhin eher verspielt.»

Nicole: «Es waren nicht wir Eltern, die den Leistungssport gepusht haben – es waren mehr die Trainer, die zu uns kamen. Es war manchmal nicht einfach, weil wir als Eltern entscheiden mussten, ob er nun eine Stufe weiter geht. Ab und zu habe ich deswegen nicht so gut geschlafen… entscheiden wir richtig? Wir sahen aber, dass er immer Freude hatte an dem, was er machte.»

Andrin: «Mein Alltag heute verläuft oft ziemlich regelmässig. 10 Trainings pro Woche, je nach Phase 20–25 Stunden. Daneben bin ich im Studium, Elektrotechnik. Also ein Mix von Training, Schule, Lernen. Es ist viel, man organisiert sich aber, ich erachte es nicht als Belastung. Freude am Turnen ist natürlich ein Muss, sonst macht man das nicht, dieser ganze Aufwand.»

Glauben leben im Sport? «Mein Vater sagte mir mal, ich solle den Sport als Lobpreis ansehen. Das ist für mich wichtig. Ich erlebe Gott im Sport manchmal mehr, manchmal weniger. Mit anderen diese Werte zu teilen ist nicht sehr einfach. Wir akzeptieren voneinander, was wir glauben, wir reden nicht so oft drüber.»

«Ob meine Identität durch die erbrachte Leistung begründet ist – oder durch Gott, meinen Schöpfer? Also… ich will schon abhängig bleiben von Gott. Dazu gibt es verschiedene Aspekte. Mein Sport ist nicht ganz ungefährlich, es gibt oft Verletzungen. Ich selber habe bisher wenig Verletzungen gehabt. Ich sehe das als Segen. Ich bin der einzige in meinem Umfeld, der noch keine OP hatte durch das Turnen. Dass das alles so ist, sehe ich nicht als selbstverständlch.»
Nicole: «Wir versuchen immer festzuhalten, dass der Sport nicht alles sein kann, dass es auch anderes geben soll, auch Hobbies etc. Einfach ist das aber nicht, weil sich fast alles nur auf Sport fokussiert.»

Andrin: «Natürlich war ich auch schon oft in einem ‹Loch›, das kürzer oder länger dauern kann. Aber da muss man durch. Das gilt auch bei Wettkämpfen, wo das Resultat nicht gelingt. Ich gebe jeden Tag mein Bestes. Und am Tag eines solchen Wettkampfs war halt eben dieses nicht optimale Resultat mein Bestes. Es ist eine Lebensschule. Ausserhalb des Sports merke ich manchmal, dass Leute diese Erfahrungen weniger haben.»
«In Magglingen hätten wir Mentaltrainer. Ich selber mache das momentan nicht. Wenn ich es dann brauche, weiss ich, wohin ich mich wenden muss. Durch meinen Vater habe ich viel Mentales gelernt.»
«Ich habe durchaus Rituale vor dem Einsatz: Übung im Kopf durchgehen. Magnesia systematisch auftragen. Je nach Situation bete ich kurz. Ich gehe immer genau gleich an mein Gerät heran. Dann gehts los…»

Magglingen hatte «schlechte Presse» in den letzten Jahren, im Zusammenhang mit psychischem Druck v.a. gegenüber Turnerinnen. Was meint Andrin dazu?
«Mit Kritik, Druck, Erwartungen gehen Männer wohl anders um als Frauen. Bei scharfer Kritik habe ich gelernt zu filtern, das kam aber eher mit wachsendem Alter.»
Nicole: «Bei extremer Kritik die ich mitbekomme, fast persönlichkeitsverletzend, habe ich mich auch schon bei den Trainern eingeschaltet. Und sie haben zugehört, sind darauf eingegangen.»